Der Gegenstand, mit dem sich die Verhaltenspsychologie beschäftigt, ist das Verhalten. Dabei ist jenes Verhalten gemeint, welches beobachtbar ist. Dazu gehören Verhaltensäußerungen aber auch kognitive Prozesse und Emotionen. Sie alle sind das Produkt von äußere Reizen und deren innere Verarbeitung durch psychische Prozesse. Das Ziel der Verhaltenspsychologie ist es, das Verhalten zu erklären, vorauszusagen und zu verändern. Gerade der Veränderungsaspekt steht in der pädagogischen Psychologie im Mittelpunkt des Interesses.
Die zwei unterschiedlichen Arten von Verhalten
Prinzipiell kann zwischen zwei verschiedenen Arten von Verhalten unterschieden werden: dem reaktiven und dem operativen Verhalten. Unter reaktiven Verhalten versteht man Verhaltensweisen, welche durch einen äußeren Reiz hervorgerufen werden. Man könnte diese Art von Verhalten auch als festgelegtes Verhalten, welches an ein Reiz-Reaktions-Muster gebunden ist, beschreiben. Beispiele für derartiges Verhalten wären der Augenlidreflex, der Saugreflex oder später erworbene emotionale Reaktionen auf bestimmte Einflüsse der Umwelt. Das reaktive Verhalten wird auch oft als automatisches Verhalten wahrgenommen. Die Steuerung des reaktiven Verhaltens unterliegt vorwiegend dem vegetativen Nervensystem.
Dem reaktiven Verhalten steht das operative Verhalten gegenüber. Dieses Verhalten wird nicht durch einen äußeren Reiz ausgelöst, sonder durch die Person selbst initiiert. Erst danach kann das operative Verhalten unter Umständen durch Reaktionen der Umwelt positiv oder negativ verstärkt werden. Es handelt sich also um ein instrumentales Verhalten, welches auf die Umwelt einwirkt und in ihr operiert. Im Gegensatz zum reaktiven Verhalten, geht dem operativen Verhalten immer ein bewusster Willensakt voraus. Das operative Verhalten wird vom Zentralnervensystem gesteuert. Da es direkt in die Umwelt eingreift und diese dadurch modifizieren kann, wird das operative Verhalten als typisch menschlich bezeichnet. Tiere zeigen hauptsächlich reaktives Verhalten und sind weniger oft zu operativem Verhalten in der Lage.
Die Kontinuität des Verhaltens
In der Verhaltenspsychologie wird angenommen, dass die Ursachen für ein operatives Verhalten in den gesammelten Erfahrungen von vorausgegangenen Verhaltensweisen liegen. Das bedeutet, dass die unterschiedlichen Verhaltensformen einer individuellen Lerngeschichte entspringen. Dieser Lernprozess geht mit einer wahrgenommenen Bedürfnisspannung einher. Beispielsweise kann Schüchternheit im Rahmen der Partnersuche zu einer Bedürfnisspannung führen. Um diese Bedürfnisspannung abzubauen und um das Ziel, einen Partner zu finden, zu erreichen, muss das Verhalten abgeändert und die Schüchternheit abgelegt werden. Die Bedürfnisspannung fungiert hier als Verstärker und Motivator für das Erlernen des neuen Verhaltens. Die Wahrscheinlichkeit, dieses erlernte Verhalten in ähnlichen Situationen wieder anzuwenden, erhöht sich. Dadurch stabilisieren sich bestimmte Verhaltensformen, treten kontinuierlich auf und formen letztendlich unseren Charakter und unsere Persönlichkeit.
Der Charakter eines Menschen spiegelt also dessen persönliche Lerngeschichte wider. Auch die Erziehung eines Menschen ist wesentlich an der Ausformung des Charakters beteiligt. Natürlich sind diesem verhaltenspsychologischen Lernprozess natürliche Grenzen gesetzt. Doch kann das menschliche Verhalten durch die Verwendung starker Verstärker bis zu einem gewissen Grad geformt und beeinflusst werden. Dies ist die Aufgabe aller pädagogischen Strategien und Bemühungen. Die Verhaltenspsychologie dient hierbei als Basis und Erklärungsmodell.